Apr 14, 2024
BMW i4 eDrive35: Darf es etwas weniger sein?
Mit einer Reichweite von fast 600 Kilometern und einem geringen Energieverbrauch ist der i4 eDrive40 von BMW ein gutes Elektroauto. Aber funktioniert das Konzept des elektrischen 4er Gran Coupés noch, wenn die Größe des
Mit einer Reichweite von fast 600 Kilometern und einem geringen Energieverbrauch ist der i4 eDrive40 von BMW ein gutes Elektroauto. Doch funktioniert das Konzept des elektrischen 4er Gran Coupés auch dann noch, wenn die Batterie verkleinert wird? Und lohnt es sich überhaupt?
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Eines gleich vorweg: Ein einprägsamer Modellname gehört nicht zu den Stärken der aktuellen Elektro-Generation von BMW. BMW i4 eDrive35 Gran Coupé – so lautet der offizielle Name des Modells, das BMW uns zur Probefahrt geschickt hat. BMW ist eine Selbstverständlichkeit, und i4 auch. „eDrive“ steht für den elektrischen Hinterradantrieb (im Gegensatz zum verbrennungsmotorischen Hinterradantrieb „sDrive“ und dem Allradantrieb „xDrive“), die „35“ soll das Modell irgendwie an die Leistung von BMW anknüpfen Einstufung (auch bei Verbrennungsmotoren wurde der Bezug auf den Hubraum längst abgeschafft). Schließlich beschreibt das „Gran Coupé“ den Karosseriestil – auf den der Autobauer offenbar nicht verzichten wollte, auch wenn der i4 derzeit in keiner anderen Karosserievariante erhältlich ist. Da das komplex genug war, verwenden wir in diesem Text „35“ anstelle der vollständigen Modellbezeichnung.
Die Modellpolitik des i4 ist offensichtlich stark auf den Verkauf ausgerichtet. Bei der Premiere zeigte BMW das Modell mit der größten Reichweite, den i4 eDrive40, kurz 40; Ein Mittelklasse-BMW mit Hinterradantrieb. Und um dem Leistungslager gerecht zu werden, wurde auch ein sportliches Topmodell i4 M50 mit 400 kW Allradantrieb präsentiert. Bei der Präsentation des Fahrzeugs im Herbst 2021 erklärte der Autobauer, er werde keine Kosten und Mühen scheuen, um einen Nettoenergiegehalt von mehr als 80 Kilowattstunden zu erreichen. Schließlich ist die Reichweite ein wichtiges Thema für die Kunden. Das Ergebnis sind 83,9 kWh brutto, wovon 80,7 kWh nutzbar sind. Mission erfüllt.
Aber auch eine andere Klientel wird über kurz oder lang bedient werden wollen – solche mit einer festen Budgetobergrenze, etwa mit Anspruch auf einen Firmenwagen. Von geldbewussten Kunden wollen wir nicht unbedingt sprechen, denn der Preis beginnt immer noch bei 56.500 Euro. Für diesen Grundpreis kommt der 35 mit 70,2 kWh brutto bzw. 67 kWh.
Mit einem Grundpreis von 56.500 Euro wird BMW nur wenige 35er unter einem Bruttolistenpreis von 60.000 Euro verkaufen. Der für die Dienstwagenbesteuerung wichtige Wert wird daher bei der Kaufentscheidung für das neue Basismodell statt des 40 mit der größeren Reichweite kaum eine Rolle spielen.
Der unter dem Kofferraumboden untergebrachte Elektroantrieb ist bei beiden i4-Varianten baugleich (eigentlich bei allen dreien, da auch das Modell mit Hinterradantrieb über dieses Aggregat verfügt). BMW setzt bei der fünften Generation der Elektroantriebe auf stromerregte Synchronmotoren, die ohne Permanentmagnete und seltene Erden auskommen. Und wie die Praxiserfahrung verschiedener Baureihen vom iX3 über den großen iX bis hin zum neuen iX1 zeigt, sind diese Antriebssysteme leistungsstark und äußerst sparsam.
Allerdings beträgt die maximale Leistung beim 35er „nur“ 210 kW, während es beim 40er bis zu 250 kW sind. Der Unterschied liegt nicht im Antrieb, sondern im Akku. Die Batterie des 35er hat 353 Volt, während die größere Batterie des 40er 399 Volt hat – bei gleicher Stromstärke bietet die größere Batterie also mehr Leistung, unabhängig davon, ob der Motor mehr kann. BMW verwendet in beiden Batterien die gleichen Zellen und verbaut weniger davon – oft nutzen die kleineren Batterien auch eine andere Zellchemie.
Nachdem wir beide Autos gefahren sind, können wir mit Sicherheit sagen, dass Sie den Unterschied im Alltagsbetrieb nicht spüren werden, da wir selten 200 kW oder mehr benötigen. Selbst auf der Autobahn haben wir die 40 kW Differenz nicht vermisst, schon gar nicht in der Stadt. Selbst mit etwas weniger Leistung ist der Antrieb des 35 gut abgestimmt und reagiert feinfühlig auf die Pedalbefehle, egal ob beim Beschleunigen oder Rekuperieren.
Und auch der Verbrauch ist nahezu gleich: Am Ende des Tests zeigte der Bordcomputer 16,2 kWh/100km an, bei einzelnen Fahrten waren es aber auch weniger als 15 kWh/100km. Der Verbrauch liegt mit 16,8 kWh/100km leicht unter dem 40er, was nicht unbedingt an der geringeren Leistung oder der kleineren (und etwas leichteren) Batterie liegt. Wir sind das Auto vor fast einem Jahr gefahren. Die Tests fanden unter anderen Bedingungen und mit leicht unterschiedlicher Ausrüstung (z. B. Felgen) statt, sodass ein direkter Vergleich mit der Nachkommastelle nicht zulässig ist. Aber die Größenordnung passt.
Natürlich ist die Reichweite eine andere: Knapp 14 kWh Unterschied im Nettoenergiegehalt bedeuten eine Reichweite von fast 100 Kilometern. In dieser Hinsicht bleibt der 35 also hinter seinem großen Bruder zurück. Bei unserem Durchschnittsverbrauch beträgt die Reichweite des 35 jedoch immer noch 413 Kilometer.
Auf der Autobahn stieg der Verbrauch bei geltenden Geschwindigkeitsbegrenzungen selten über 19 kWh/100 km. Das bedeutet immer noch eine Autobahnreichweite von 352 Kilometern. Als wir den 40 im Jahr 2022 fuhren, errechneten wir eine Reichweite von 436 Kilometern, also einen Unterschied von 84 Kilometern. Und selbst wenn wir nur die für die Langstreckenfahrt relevante Reichweite von zehn bis 80 Prozent State of Charge (SoC) berücksichtigen, kommt der 35 immer noch auf eine reale Reichweite von 250 Kilometern mit einer Ladung. Beim 40 dürften es zwischen 300 und 350 Kilometer sein.
An der Ladesäule sind die Unterschiede noch einmal geringer, als es auf dem Papier vermuten lässt. Mit der kleineren Batterie sinkt die maximale DC-Ladeleistung etwas, von 205 auf bis zu 180 kW. Da er jedoch weniger Energie benötigt, benötigt der 35 nur eine Minute länger zum Laden von zehn auf 80 Prozent als der 40.
Warum das so ist, zeigen unsere Ladekurven. Die Ladekurve des 35 (in Hellblau) ist der des 40 (in Dunkelblau) sehr ähnlich, jedoch immer ein paar kW niedriger. Es ist also nicht so, dass aufgrund der unterschiedlichen Batteriespannung nur die Spitze etwas niedriger ausfällt und beide Batterievarianten anschließend auf der gleichen Kurve laden. Da der 35 nie an die Leistungskurve des 40 herankommt und bereits bei 45 Prozent SoC die 100-kW-Marke unterschreitet, wird es ab 60 Prozent SoC knifflig.
Allerdings zeigt der Vergleich in unserer Grafik zu den beiden Tesla-Modellen auch, dass einige Konkurrenzmodelle auf dem gleichen Niveau liegen – es handelt sich lediglich um das Leistungsniveau der 400-Volt-Modelle. Im Alltag wäre jedoch eine Ladekurve wie beim Mercedes EQE 350+ wünschenswerter – in der Spitze etwas weniger, aber der EQE lädt immer noch mit 147 kW, wenn der i4 bereits unter die 100er-Marke gefallen ist. Zwischen 40 und 80 Prozent SoC ist der Unterschied auch im Vergleich zum i4 eDrive40 eklatant – und dessen Antrieb bildet die Basis für den i5, also einen direkten Konkurrenten zum EQE. Allerdings kommt keines der deutschen Modelle an die 800-Volt-Elektrofahrzeuge von Hyundai heran – im Diagramm ist der Ioniq 5 dargestellt, die Ladekurve entspricht jedoch dem Limousinenmodell Ioniq 6.
Beim Schnellladen liegt der i4 eDrive35 etwas zurück – nicht nur gegenüber dem 40, sondern auch gegenüber der Konkurrenz. Dies macht sich vor allem bei einem Ladestand von 50 bis 60 Prozent bemerkbar, danach dauert es deutlich länger, bis die Ladezustandsanzeige im Cockpit weiter nach rechts wandert. Wer regelmäßig längere Strecken zurücklegt und diese mit möglichst wenigen Ladestopps zurücklegen möchte, greift zum großen Akku. Bei der 35 wären viele, aber kürzere Ladestopps sinnvoller, um das Fenster mit der höheren Ladeleistung auszunutzen. Ein kurzer Ladestopp alle 150 Kilometer ist wohl etwas anderes, als es die Premium-Kunden von BMW erwarten – schon bei einem Basismodell.
Wenn die tägliche Fahrstrecke jedoch weniger als 200 Kilometer beträgt und Sie Ihren i4 zu Hause oder am Arbeitsplatz mit Wechselstrom aufladen können, sind die Unterschiede zwischen 35 und 40 erschreckend gering. Allerdings ist auch der Preisunterschied von 2.700 Euro überschaubar. Sofern es also keine feste Budgetgrenze gibt und man lieber ein anderes Ausstattungspaket als eine praktische Reichweite von 84 Kilometern möchte, werden viele Kunden wahrscheinlich zum iDrive40 greifen.
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Abgesehen vom leichten Preisunterschied gibt es noch einen weiteren Kritikpunkt, bei dem sich 35 und 40 zu wenig unterscheiden: der Innenraum, konkret der Fußraum vor der Rückbank. Erinnern Sie sich an die Aussage, dass BMW keine Kosten und Mühen gescheut hat, um eine 80-kWh-Batterie in die Plattform des i4 zu integrieren? Das Ergebnis war, dass BMW zusätzlich zu den flach im Unterboden angeordneten Batteriemodulen weitere Module im „zweiten Stock“ einbaute, nämlich unter der Rücksitzbank und im Kardantunnel der Verbrennermodelle. Für die Batterie der 35er-Reihe hat BMW genau diese drei Module mit je zwölf Zellen aus dem Kardantunnel entfernt. Nur: Der Kardantunnel ist immer noch da, auch wenn er mittlerweile leer und ohne Funktion ist. Ja, für Puristen gibt es sowieso keinen BMW ohne Kardantunnel. Für Pragmatiker ist es jedoch schwer zu verstehen, warum BMW dem i4 eDrive35 keine eigene Bodenverkleidung im Innenraum verpasst hat. Vermutlich gestaltet sich die Entfernung der Kardantunnelkonstruktion von der Plattform schwieriger als erwartet. Allerdings kann BMW an dieser Stelle den Nachteil der Verbrenner-Karosserie nicht ausbügeln: die Platzverhältnisse.
Die Verarbeitung ist durchweg hochwertig. Das Betriebssystem basiert auf der klassischen Auto-Bedienlogik und ist nicht nur ein Tablet, das zufällig im Auto verbaut wird. Die Assistenzsysteme machen einen guten Eindruck und die Car2X-Kommunikation funktioniert. Der BMW wies mehrere hundert Meter vor dem Fahrzeug sogar auf eine Ampel einer provisorischen Baustelle auf einer Landstraße hin. Und das Fahrwerk gehört zu den Besten seiner Klasse, auch der Geräuschkomfort im Innenraum ist erwähnenswert – da kommt derzeit kein Tesla oder Hyundai heran.
BMW verbessert auch kleine Softwaredetails. In unserem 2022er Test des i4 eDrive40 haben wir kritisiert, dass die DC-Ladeleistung im Instrumentendisplay nur in einem kaum lesbaren Balkendiagramm angezeigt wurde. Die Grafik bleibt erhalten, die Anzeige wurde jedoch um eine genaue Kilowattangabe ergänzt. So kann der Fahrer zumindest besser einschätzen, ob sich ein Stopp am Schnelllader noch lohnt – anhand der Balkenanzeige war beispielsweise schwer zu erkennen, ob noch 100 oder nur 80 kW flossen.
Aber auch der i4 ist im Kern ein Verbrennungsmotor. Die vordere Motorhaube ist lang (beim Reihensechszylinder), aber selbst die Modelle mit Hinterradantrieb haben keinen Kofferraum. Im Innenraum geht es nicht eng, sondern eng zu – nicht nur mit dem Kardantunnel im Fußraum. Auch leicht zugängliche Staufächer sind relativ rar. Obwohl der Kofferraum dank der weit öffnenden Heckklappe des Fließheckmodells gut zugänglich ist, ist es beispielsweise unmöglich, drei Getränkekisten nebeneinander im Kofferraum unterzubringen. Im Fall des Nio ET5 hat er zwar nur eine kleinere Öffnung, kann dafür aber drei Kisten Mineralwasser nebeneinander verstauen – und daneben noch einen weiteren Sixpack. Mit anderen Worten: Ein Fahrzeug auf einer reinen EV-Plattform holt aus dieser Größenklasse von rund 4,80 Metern mehr heraus und bietet ein geräumigeres Gefühl als der i4.
Und (natürlich) ist die Aufpreisliste ein wiederkehrender Kritikpunkt für einen deutschen Premiumhersteller. Unser Testwagen kostete mit Extras mehr als 13.000 Euro, der Bruttolistenpreis steigt damit von 56.500 auf 70.880 Euro. Und dabei reden wir nicht von Vollausstattung: Für gerade mal 400 Euro Aufpreis stand der Testwagen auf 17-Zoll-Aero-Felgen. Selbst die beheizbaren Vordersitze kosten 380 Euro, die induktive Ladeschale für Smartphones (vor dem Getränkehalter und daher schwer zugänglich) kostet zusätzlich 200 Euro. Die Ambientebeleuchtung kostet 370 Euro, der „Komfortzugang“, der den Verbleib des Autoschlüssels in der Tasche ermöglicht, kostet 650 Euro Aufpreis.
Der „Verzicht“ im Basismodell des i4 dürfte für viele Kunden kaum von großer Bedeutung sein. Da der Preisunterschied jedoch leicht über dem Niveau des Assistenzpakets liegt, werden viele Kunden wohl dennoch zum großen Akku greifen.
Zumindest stoppt BMW den Trend zu immer größeren Batterien – wenn auch zwangsläufig, weil nicht mehr Zellen der aktuellen Generation in den Unterboden der CLAR-Plattform passen. Durch den effizienten Antrieb sind auch mit 67 kWh konkurrenzfähige Reichweiten in dieser Fahrzeugklasse möglich. Ob BMW dem Kunden auch im Marketing klar machen kann, dass „mehr“ nicht unbedingt besser ist, steht auf einem anderen Blatt – angefangen bei der Preisliste.
Autor: Sebastian Schaal; aus dem Deutschen übersetzt
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